Digitales Mobbing – kann Google gezwungen werden, einen Dauer-Filter einzurichten, der ehrenrührige Suchvorschauen blockt? Dafür kämpft ein von der Kanzlei Gabor vertretener deutscher Kläger nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Über den bundesweit beachteten Fall berichtete auch schon spiegel-online.de . Zitat: „Roger Gabor, der Anwalt des Klägers kritisiert die Einschätzung des Oberlandesgerichts Hamburg, der Fall habe keine grundsätzliche Bedeutung. Dies sei sehr wohl der Fall: „Der Vorsitzende Richter Schmidt gestand in der Verhandlung, würde er der Klage stattgeben, würde das gesamte Geschäftsmodell von Google zusammenbrechen. Wenn das nicht grundsätzlich ist. Daran ist auch die politische Dimension des Falles erkennbar.“
Hintergrund ist der Streit zwischen Google und einem Anlagenvermitter um ehrverletzende Suchvorschauen, ähnlich, wie das Bettina Wulf erlebt hat. Sie wurde, ihr Mann war in dieser Zeit Bundespräsident, als angebliche ehemalige Prostituierte denunziert. Wer heute bei Google das Wort „Bettina“ eingibt, erhält zur Vervollständigung der Suche das Angebot „Bettina Wulff Prostituierte“ und weitere stichwortartige Verleumdungen dieser Ent-Artung.
Bloße Informationspflicht und kein Recht
Die politische Dimension dieser Fälle – dahinter steht der Entwurf einer Verordnung der EU-Kommission zum Datenschutz. Dort findet sich im Artikel 17 ein „Recht auf Vergessenwerden“ – aber leider keine Regel zur Umsetzung. Zwar möchte Viviane Reding, seit 2010 EU-Kommissarin für Justiz, getreu dem Grundsatz „Ich entscheide, was mit meinen Daten passiert und nicht irgendein Unternehmen“ Betroffenen per Gesetz das Recht garantieren, vergessen zu werden, zudem das Recht auf Löschung. Der durch diese prägnante Bezeichnung zum Ausdruck kommende Anspruch eines Rechts auf Vergessen ist allerdings marsweit von seinem normativen Inhalt entfernt: Nach Art. 17 Abs. 2 der geplanten EU-Verordnung tritt im Fall der Veröffentlichung der Daten die Pflicht des Verantwortlichen, „alle vertretbaren Schritte, auch technischer Art [zu unternehmen], um Dritte, die die Daten verarbeiten, darüber zu informieren, dass eine betroffene Person von ihnen die Löschung aller Querverweise auf diese personenbezogenen Daten oder von Kopien oder Replikationen dieser Daten verlangt.“
Eine Pflicht– hier zum Beispiel also von Google -, für eine Löschung aller Links und Internetkopien zu sorgen, ist nicht enthalten. Damit enthält Artikel 17 der geplanten EU-Verordnung, die wohl auch erst 2016 in Kraft tritt, nur eine bloße Informationspflicht und eben kein „Recht“ auf Vergessen.
Ein solches macht derzeit ein spanischer Kläger vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegen Google geltend. Auch dort geht es – genau wie in dem von der Kanzlei Gabor in Karlsruhe vertretenen Fall – um die Frage, ob für Google die Pflicht besteht, einen Verweis auf persönliche Daten zu unterlassen. Der Kläger hier verlangt von Google Spain, dass der Link einer Tageszeitung, der die amtliche Bekanntmachung der Zwangsversteigerung seines Hauses von 1998 beinhaltet, nicht mehr bei Eingabe seines Namens erscheint. Der Anwalt des Spaniers beruft sich auf das Recht auf Vergessen.
Google lehnt dies ab und stellt sich lediglich als Vermittler zwischen Suchendem und Herausgeber dar. „Der Herausgeber übt die entscheidende Rolle über die personenbezogenen Daten aus.“ Sagt der Anwalt von Google und verwässert damit, dass der Kläger keine Chance auf Löschung hat, wenn sich der Beitrag in einem Forum befindet, das seinen Sitz in einem Land hat, in dem kein Internetrecht existiert und ausschließlich das Löschen der Google-Suchtreffer („Snippets“) dazu führen würde, tatsächlich vergessen werden zu können. Google indes verdient an solchen rechtswidrigen Foren, indem dort Google-Adword-Anzeigen geschaltet werden…
Solange Google nicht verpflichtet ist, ehrverletzende Suchtreffer zu löschen, führt das dazu, dass im Internet Hängengebliebenes sich selbst regeneriert und multipliziert – unter anderem mit der automatischen Stichwortverknüpfung „autocomplete“.
Maschinerien gegen das Recht auf Vergessen
Konzerne wie Google sind mittlerweile milliardenschwere Maschinerien gegen das Recht auf Vergessen geworden. Das wissen und erleiden auch zahlreiche Mandanten der Kanzlei Gabor, deren Ex-Freunde intime Fotos ins Netz stellen oder unter gefälschten Profilen in Dating-Foren aus Rache, aus feiger Lust an Entwürdigung, aus Lust am Rufmord, aus Machtlust diffamieren und digital mobben. Solange solche Beiträge in deutschen Foren stehen, ist die Chance auf Löschung groß. Anders in Übersee. Dort gelten sie als Entfaltung der Meinungsfreiheit.
Am 25. Juni 2013 wird der Generalanwalt dem Europäischen Gerichtshofs vorschlagen, wo der Weg des Vergessens hinführt. An dieser Stelle werden wir dann auch weiter darüber berichten, wie der Europäische Gerichtshof in unserem Fall entscheidet.