Empfindliche Verschärfung des Onlinehandels

Erklärt von Roger Gabor, Fachanwalt für Informationstechnologierecht

Viel mehr Rechte für Verbraucher
Viel mehr Pflichten für Händler

Unbeachtet von Vielen hat der Gesetzgeber das Online-Kaufrecht verschärft, und zwar empfindlich. Obschon gültig seit 1. Januar 2022 sind viele Regeln immer noch nicht umgesetzt. Betroffen: Jeder, der im Internet kauft (mehr Rechte) und verkauft (Gefahr: viel mehr Pflichten).

Abstruse Fälle

Das neue Kaufrecht betrifft -vor allem- Händler, die digitale Produkte vertreiben und Online-Shops, die an Verbraucher verkaufen. Das kann zu abstrusen Fällen führen. Beispiel: Haus beim Notar gekauft inclusive smarter Alarmanlage (sogenannte „Paketverträge“) oder: das „Heilix Blechle“ mit Navi. Kommt der Händler dann seiner ständigen Update-Verpflichtung nicht nach, kann noch nach Jahren das gesamte (!) Geschäft (also der Hauskauf im Beispiel) komplett rückabgewickelt werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Es geht also um digitale Produkte. Im Zentrum steht nun die Update-Verpflichtung für Verkäufer bei Waren mit digitalen Elementen – etwa Smartphones, allgemein Produkte mit digitalen Komponenten, also Tablets, E-Bikes, Autos, Navigationssysteme, Saugroboter.

Aktualisierungspflicht

Den Händler trifft eine Aktualisierungspflicht. Die soll sicherstellen, dass gekaufte Technik -gleich in welchem Medium angeschafft – funktionsfähig und sicher bleibt. Dabei muss der Verkäufer Funktionsfähigkeit und die IT-Sicherheit gewährleisten, er schuldet Sicherheitsupdates und hat rechtzeitig über Updates zu informieren. Stellt der Verkäufer keine Updates bereit und informiert nicht, liegt ein Sachmangel vor. Die Dauer dieser Aktualisierungspflicht ist unbestimmt. Entscheidend ist die Verbrauchererwartung.

Übrigens: Kommt der Hersteller selber seiner Aktualisierungspflicht nicht nach, können Händler den Hersteller für ihre hierdurch entstehenden Kosten in Regress nehmen.

Beweislastumkehr zwölf Monate

Achtung: Beweislastproblem. Bisher war es so: Tauchte bis sechs Monate nach einem Kauf ein Mangel der Ware auf, bestimmte das Gesetz, dass die Ware schon beim Erwerb nicht in Ordnung war. Das nennt sich Beweislastumkehr.

Diese Frist wurde jetzt auf zwölf Monate verdoppelt. Zeigt sich also nun innerhalb eines Jahres ab Erhalt (juristisch korrekt: Gefahrübergang) ein Zustand, der nicht der gewöhnlichen Erwartung entspricht, wird vermutet, dass die Ware mangelhaft ist.
Die Beweislastumkehr beim Verbrauchergeschäft hat damit eine empfindliche Verschärfung zulasten des Verkäufers erfahren.

Auch im neuen Kaufrecht wird zwar zwischen vereinbarter Beschaffenheit einer Kaufsache (subjektive Anforderungen) und gewöhnlicher Verwendung (objektive Anforderungen) unterschieden. Allerdings müssen jetzt beide Voraussetzungen zusammen (kumulativ) vorliegen und darüber hinaus auch den Montageanforderungen, soweit vorhanden, entsprechen. Das bedeutet: auch bei einer konkreten Vereinbarung der Parteien über die Beschaffenheit der Ware („B-Ware“) muss sich die Kaufsache auch immer gemäß der gewöhnlichen Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Waren derselben Art üblich ist und die der Käufer auch erwarten kann.

Beispiel: Wer bisher eine Kamera als Ausstellungsstück gekauft hat („überholt“), dem war bewusst, dass sie leichte Gebrauchsspuren aufweisen kann. Jetzt aber muss der Verkäufer extra darüber informieren und diese Nachricht zusätzlich dokumentieren. Sonst gilt die Ware als mangelhaft.

Zusätzlich muss im Kaufvertrag die konkrete Abweichung, zum Beispiel im Hinblick auf Gebrauchsspuren, ausdrücklich und gesondert vereinbart werden. Hinweis: Ein vorangekreuztes Kästchen in Online-Shop, das der Verbraucher deaktivieren kann, genügt dazu nicht. Der Käufer muss per Klick bestätigen, dass er von dem Mangel Kenntnis genommen hat.

27 Monate Gewährleistungsfrist

Tritt bei gekaufter Ware kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ein Mangel auf, dann ging der Käufer bislang leer aus, wenn er noch ein bisschen gewartet hat. Oder gerade im Urlaub war. Jetzt ist dies anders: Tritt der Mangel kurz vor knapp auf, tritt die Verjährung erst vier Monate später ein. Neu sind hierbei zwei sogenannte Ablaufhemmungen: Bei einem Mangel, der sich gerade noch innerhalb der normalen Gewährleistungsfrist zeigt, verjährt der Anspruch erst vier Monate später. Beispiel: Zeigt sich also bei einem gekauften Handy erst im 23. Monat der Mangel, kann der Käufer seine Ansprüche bis zum 27. Monat nach Lieferung geltend machen.

Darüber hinaus schlägt die Verjährung erst nach Ablauf von zwei Monaten nach (!) dem Zeitpunkt zu, nach dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde. Mit dieser Regel will der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Käufer die reparierte Sache prüfen kann, ob dem von ihm geltend gemachten Mangel abgeholfen wurde. Sichergestellt wird zudem, dass die Verjährung nicht abläuft, solange die Kaufsache wegen Nachbesserung beim Verkäufer liegt.

Hat die gekaufte Ware Mängel, konnte der Käufer bislang auch entweder die Reparatur oder ein neues Exemplar verlangen. Aber nur wenn er hierfür explizit eine Frist gesetzt hatte und diese fruchtlos abgelaufen war, konnte er die mangelhafte Ware zurückgeben, den Preis mindern oder Schadensersatz verlangen. Dies ist nun anders – eine Frist muss der Verbraucher nicht mehr setzen.

Keine Nachbesserungs-Frist mehr

Rücktritt, Minderung und Schadensersatz waren also bislang nur möglich, wenn der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese ergebnislos verstrichen ist. Diese Hürde ist entfallen. Ausreichend ist jetzt der bloße Ablauf einer angemessen Frist. Die Frist beginnt, wenn der Käufer den Verkäufer nur über den Mangel unterrichtet.

Hat der Unternehmer dann nicht rechtzeitig nacherfüllt, ist der Verbraucher zum Rücktritt vom Vertrag (also: alles Geld zurück) berechtigt. Dies kann heftig werden: Ein Auto-Händler zum Beispiel, der das nachzubessernde Fahrzeug erstmal stehen lässt, weil ihm andere Dinge wichtiger sind, läuft nun Gefahr, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des dann immerhin gebrauchten Pkw zurückzahlen muss. Und zwar voll. Dringender Rat: Nachbesserungen zügig ausführen.


Rechtstipp: Bringen Sie Ihren Online-Shop rechtlich aufs Laufende, passen Sie Ihre Allgemeine Geschäftsbedingung an. Das ist viel billiger als streiten.

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